Arbeit mit Sinn und Wertschätzung

(29.03.2021) Volker Zimmermann hat als Einrichtungsleiter des Erlenhofs in Aukrug und des Eiderheims in Flintbek die Angebote der Behindertenhilfe des Landesvereins in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich geprägt und weiterentwickelt. Nach 32 Jahren geht er nun in den Ruhestand – und will seiner Leidenschaft, der Musik, treu bleiben.

Wie sind Sie zum Landesverein gekommen und was haben Sie vorher gemacht?

Ich habe Heizungs- und Lüftungsbauer gelernt und bin danach als Zeitsoldat zur Bundeswehr gegangen. Danach habe ich aber die Diakonenausbildung in Rickling gewählt. Das Anerkennungsjahr habe ich in der Kirchengemeinde in Neumünster-Gadeland durchgeführt und war hinterher vier Jahre Diakon in der Kirchengemeinde.

Dort saß ich im Kirchenchor neben dem damaligen Werkstattleiter im Erlenhof, Herrn Winkel. Er prägte den Werkstattbereich und hat mit viel Engagement die Werkstattbereiche aufgebaut. In einer Chorprobe sprach er mich an: "Kennen Sie einen Diakon? Wir suchen für die Wohnstätte einen Leiter." Aber ich war damals überglücklich in Gadeland. Also habe ich gesagt: "Nein, ich kenne niemanden. Ich kann mich ja mal umhören."

Ein halbes Jahr später kam diese Frage nochmal. Da hieß es immer "Erlenhof" und ich habe mir darunter einen Bauernhof vorgestellt. Dann habe ich es mir genauer angesehen. Mich beeindruckte die Wohnanlage sehr. Ich führte ein langes Gespräch mit dem Einrichtungsleiter, Diakon Peter Schulz. Seine Begeisterung sprang auf mich über. Und eine Woche später hatte ich den Vertrag. 

Was brachte Sie zu der Bewerbung als Einrichtungsleiter?

Ich fand es spannend, für die Einrichtung verantwortlich zu sein und für behinderte Menschen etwas zu tun. Ich wollte wertschätzende Lebenswelten mitgestalten. Ich wurde also im Jahr 1989 im Alter von 32 Jahren als Wohnbereichsleiter eingestellt. Bruder Schulz ging 1991 in den Ruhestand, ein Jahr nach seiner Frau als Hauswirtschaftsleiterin.

Ich habe nie im Traum daran gedacht, dann Einrichtungsleiter zu werden. Aber viele Mitarbeiter haben gesagt: "Machen Sie es doch." Als die damalige Leitung des Landesvereins mich ausdrücklich dazu ermuntert hat, meine Musikalität in die neue Aufgabe einzubringen, habe ich gesagt: "Okay." Und im April 1998 ist das Eiderheim dazu gekommen. Ich fand diese ergänzende Aufgabe sehr reizvoll und erfuhr viel Rückendeckung im Erlenhof und im Eiderheim. 

Was hat Ihnen an der Aufgabe besonders gefallen?

Der Umgang mit den unterschiedlichen Menschen. Die Menschen sind mir wichtig – und ein wertschätzender Umgang. Und dann lag mir natürlich die Gestaltung der musikalischen und diakonischen Angebote am Herzen. Es gab seit 1989 einen Chor mit modernen christlichen Liedern. Wir haben aber auch das Lied vom kleinen grünen Kaktus oder das vom brechenden Marmor gerne gesungen.

Zudem gibt es seit 1989 einen Fastenkalender im Erlenhof und seit 1998 auch im Eiderheim. Wir haben mit einer Mitarbeitergruppe diese Kalender gestaltet. Das ist eine großartige Sache geworden. Anfangs gab es 18 Kalender und inzwischen haben wir die Auflage auf 360 Kalender gesteigert. 

Wie hat sich Ihre Identität als Diakon auf die Leitungsaufgaben ausgewirkt?

Viele Kollegen haben mir zum Abschied gesagt: "Sie sind immer so wertschätzend mit mir umgegangen und haben immer ein offenes Ohr gehabt. Sie waren für mich da." Ich glaube, das zeichnet eine diakonische Leitung aus - dass der Mensch wichtig ist mit seinen Stärken und Schwächen. Diakonisch ist, für die Menschen da zu sein, ein offenes Ohr zu haben, sie zu begleiten, zu verstehen und vor allen Dingen wertzuschätzen. 

Was sind die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Erlenhof und Eiderheim?

Es gibt unterschiedliche Arbeitsbereiche, die sich aus der Tradition des früheren Frauenheims mit der Wäscherei und Näherei und der Männereinrichtung mit der Holz- und Metallverarbeitung ergeben haben. Abgesehen davon gibt es heutzutage aber kaum noch Unterschiede. Das Interesse am Menschen verbindet beide Einrichtungen und eine Kultur, in der man miteinander leben, das Leben genießen und Frohsinn haben kann, aber auch miteinander leiden  und trauern und Trauer begleiten kann. 

Wie hat sich das Arbeitsfeld der Behindertenhilfe gewandelt in der Zeit seit Ihrem Dienstantritt in den Neunziger Jahren?

Wir haben es schon immer gelebt, dass der Beschäftigte wichtig ist und im Mittelpunkt steht. Wir haben in den Werkstätten darauf geachtet, dass wir Angebote für behinderte Menschen haben, die einen Sinn stiften. Wenn sie beispielsweise Postkarten verpacken, die in der Region in jedem Supermarkt zu finden sind, dann wissen die Beschäftigten: Wenn sie einkaufen gehen, sehen sie  Dinge, die sie selbst hergestellt haben.

Es hat aber einige Veränderungen gegeben. Früher haben oft die Angehörigenbeiräte für die Beschäftigten gesprochen. Die Beiräte gibt es noch, aber heute sprechen die Menschen für sich selbst. Darauf haben wir sehr großen Wert gelegt, in beiden Häusern den behinderten Menschen eine Sprache zu geben, dass sie für sich sprechen. Ich finde, dass sich das sehr stark verändert hat. Das ist wohl die wichtigste Entwicklung in der Behindertenhilfe: Wertgeschätzt werden, eine Sprache zu haben, geachtet zu werden. Und Aufträge zu haben, die wertschätzend sind. 

Warum macht es aus Ihrer Sicht Sinn, dass Unternehmen der freien Wirtschaft Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen geben?

Weil wir gute Partner sind. Wir können Dinge ableisten, die eine kleine Firma nicht leisten kann. Oder die eine große Firma nicht ableisten will. Ich glaube, dass viele Auftraggeber die Qualität in den Werkstätten wahrnehmen. Es geht also nicht ausschließlich darum, dass sie den behinderten Menschen etwas Gutes tun wollen. Und sie wissen, dass sie sich auf den Erlenhof und das Eiderheim verlassen können und dass die Qualität stimmt. Sonst würde es nicht funktionieren.

Wofür sind Sie besonders dankbar?

Zu allererst für die tolle Entwicklung der beiden Einrichtungen. Für die Entwicklung neuer Arbeitsbereiche, beispielsweise das Wohnen im eigenen Mietverhältnis, die Außenwohngruppen und Außenarbeitsplätze. Ganz besonders bin ich zudem für die beiden Seniorenwohnanlagen dankbar. Heute können Menschen mit Behinderungen und erhöhtem Pflegebedarf ihren Lebensabend in ihrem Erlenhof und Eiderheim verbringen. Ich bin auch für Mitarbeitende dankbar, die täglich eine hervorragende Leistung erbringen. Und ich bin froh, dass ein diakonisches Miteinander in unseren beiden Einrichtungen zum Alltag gehört: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ - Gott ist mit uns, am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag!