Veränderte Therapieangebote in der Fachklinik am Plöner See

(04.07.2022) Nina Engel und Mats Göttsch sind das junge Team der Physiotherapie im Klinikteil Ruhleben und haben das Therapieangebot grundlegend überarbeitet – „notgedrungen“, wie Nina Engel zugibt, denn die Rahmenbedingungen in der Pandemie erforderten 2021 mehr Einzelkontakte, kleinere Gruppengrößen von höchstens fünf Patient*innen, die Verlagerung von Angeboten an die frische Luft und insgesamt andere Angebote. So wurde etwa versucht, möglichst ohne direkten Körperkontakt zu arbeiten, um genügend Abstand zu den Behandelten zu gewährleisten. „Hands off war deshalb unser Gebot“, erklärt Nina Engel.

Viele Patient*innen berichteten 2021, wie schwer die Situation in der Pandemie für sie gewesen sei: Der Wegfall sozialer Kontakte wie auch der Treffen von Selbsthilfegruppen habe sie mehr auf sich geworfen. Probleme hätten schlechter besprochen werden können, dadurch sei der Suchtdruck gestiegen, der Rückfall oft fast zwangsläufig gekommen. Dr. Clemens Veltrup, Therapeutischer Leiter der Klinik, ergänzt: „Wir bedauern es sehr, dass durch die Pandemie keine spontanen Akutaufnahmen möglich waren. Viele Patientinnen und Patienten kennen die Klinik und unsere Behandlungsangebote seit Jahren und schätzen, dass sie vor Corona jederzeit kommen konnten.“ Unter Corona hätten Aufnahmen nur geplant stattfinden können. Das Abstandsgebot habe zudem bewirkt, dass alle Patientenzimmer nur einzeln belegt werden konnten, wodurch die gesamte Belegungszahl niedriger war.

Vier Tage Zeit zum Ankommen

Nina Engel und Mats Göttsch lernen die neuen Patient*innen häufig in einem Ausnahmezustand kennen, denn viele sind konditionell sehr schwach und noch intoxikiert. „Die ersten vier Tage lassen wir die Patienten in Ruhe ankommen“, sagt Nina Engel, „danach beginnen wir mit einem wohldosierten Training, z. B. auf dem Ergometergerät, im unteren bis mittleren Anforderungsbereich und kümmern uns um diverse Beschwerden.“ Der körperliche Entzug sei für den Kreislauf sehr anstrengend und sie beobachte immer wieder, dass sich Patient*innen überschätzten. „Weniger ist hier manchmal mehr“, gibt sie ihnen dann mit. Im Jahr 2021 ist das Ergometertraining wie schon 2020 ausschließlich als Einzeltherapie angeboten worden. Dass sich dabei oft gute Gespräche entwickelten, entlaste die Patient*innen spürbar, so Nina Engel – „Physiotherapie ist hier viel mehr als reine Physiotherapie.“

Einzel- und Gruppenangebote – Anleitung zur Selbsthilfe

In befundorientierten Einzeltherapien werden derzeit außerdem verschiedene physiotherapeutische Techniken, Entspannungs- und Lockerungsübungen und manuelle Behandlungen angeboten, die von Schröpfen und Tapen begleitet werden und meist schnelle Besserung besonders von Verspannungen bringen. Die beiden Therapeut*innen verstehen ihren Auftrag als Anleitung zur Selbsthilfe – „damit geben wir den Patientinnen und Patienten eine Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit an die Hand“, erklärt Mats Göttsch. 

Als Gruppenaktivitäten werden Nordic Walking und aktivierende Spaziergänge im nahegelegenen Wald durchgeführt – und dabei gleich vermittelt und erfahrbar gemacht, wie sehr der Aufenthalt in der Natur der Seele Heilung schenken kann. In der Gymnastikhalle finden Rückenfit, Schulter-Nacken-Gymnastik und Entspannung statt.

„Wenn die Menschen nach zehn Tagen bei uns von ihrem Giftstoff entzogen haben und damit die Betäubung raus ist, nehmen ihre Schmerzen erst einmal zu“, sagt Mats Göttsch, „viele klagen dann über Rücken- und Arthroseschmerzen.“  Die Schmerzen seien oft psychosomatisch, wirft Nina Engel ein, und zeigten die Last des Lebens: „Deshalb erklären wir immer wieder, wie Körper und Seele aufeinander einwirken. Dieses erste Verstehen von Zusammenhängen kann helfen, sich für die nachfolgende Therapie zu öffnen.“ Die Rehabilitation kann anschließend am zweiten Klinikstandort in Freudenholm in der Nähe von Preetz stattfinden und der erste Schritt in ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben ohne Sucht sein.