Kinderschutz mit Zertifikat

Erste Fortbildung zur InsoFa erfolgreich im Landesverein abgeschlossen

(2.9.2021) Sie dürfen sich jetzt „Insofern erfahrene Fachkräfte“ nennen und sind Ansprechpartner*innen im Landesverein, wenn es um das Thema Kindeswohlgefährdung geht: 15 InsoFas haben am 27. August 2021 ihre Fortbildung zu Kinderschutzfachkräften nach §§8a und 8b des SGB VIII beendet und erhielten im Fichtenhof im feierlichen Rahmen ihre Zertifikate und Teilnahmeurkunden.

„Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer können jetzt eine Risikoeinschätzung im Zusammenhang mit Fragen der Kindeswohlgefährdung vornehmen“, erklärt Jessica Prieß, Diplom-Sozialpädagogin, Suchttherapeutin und Regionalleitung des ATS Suchthilfezentrums Bad Segeberg und eine der beiden Leiterinnen der Fortbildung. „Sie haben gelernt und erprobt, einen Fall unter vielen Gesichtspunkten zu beleuchten und auszuwerten.“ Sie wissen außerdem, wie die Meldung ans Jugendamt erfolgen muss und können Schutzpläne erstellen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Fortbildung zur InsoFa ist eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Die Kolleg*innen der ATS Suchthilfezentren, die teilgenommen haben, erfüllen diese Vorgabe durch ihre Arbeit in der Schulsozialarbeit, als Familienhelfer*innen oder aufgrund ihres Engagements in speziellen Projekten wie der Fachstelle „Kleine Riesen“. Zwei sehr engagierte Kolleginnen des Psychiatrischen Krankenhauses Rickling haben an der Fortbildung ebenfalls teilgenommen und dabei ihre Kompetenzen in der Thematik Kinderschutz deutlich erweitern können. Ihnen steht offen, zu einem späteren Zeitpunkt die Arbeit im Kinder- und Jugendbereich nachzuweisen, um dann auch das Zertifikat zur InsoFa erhalten zu können.

Die Aufgaben der InsoFas

InsoFas werden immer dann zu Rate gezogen, wenn eine Fachkraft die Vermutung hat, dass das Wohl von Kindern gefährdet ist. Gemeinsam wird dann in der kollegialen Beratung der Fall analysiert: Was liegt vor? Gibt es besondere Vorfälle, die das Wohl des Kindes gefährden? In welcher Situation ist er erfolgt? Kann man solche Situationen in Zukunft vermeiden? Sind Mutter oder Vater einsichtig? Das Gespräch mit den Eltern erfordert von den Fachkräften offene und ehrliche Worte und gleichzeitig Fingerspitzengefühl, denn ein gutes Vertrauensverhältnis der Eltern zu den Beratenden ist maßgeblich für den Erfolg aller nachfolgenden Maßnahmen.

Abschluss in Präsenz

„Wir freuen uns, dass dieser so wichtige Kurs mit einer Präsenzveranstaltung abgeschlossen werden konnte“, resümiert Judith Maiwald, Diplom-Sozialarbeiterin, Familientherapeutin und Regionalleiterin des ATS Suchthilfezentrums Kaltenkirchen, die gemeinsam mit Jessica Prieß die Fortbildung geleitet hat. Die Corona-Pandemie hatte auch bei diesem eigentlich auf anderthalb Jahre angelegten Lehrgang für Verzögerungen gesorgt, so dass der Abschluss nicht wie geplant im April 2020 stattfinden konnte. „Die beiden letzten Tage des Kurses jetzt Ende August waren für uns eine gute Gelegenheit, die Themen der insgesamt zehn Fortbildungstage noch einmal zu rekapitulieren“, sagt Judith Maiwald und bedankt sich herzlich bei Toni Biecker, Diplom-Sozialpädagogin, Suchttherapeutin und Teamleitung des ATS Suchthilfezentrums Quickborn, für die Moderation der Abschlussveranstaltung. „Frau Biecker ist selbst InsoFa und hat in einer Art Crashkurs alle Informationen noch einmal gebündelt.“

Bei der Übergabe der Zertifikate und Teilnahmeurkunden waren Helmut Bauer, Geschäftsbereichsleiter Psychiatrie, und Iris Gebh, Leiterin des Human Ressource Managements, anwesend. Beide stellten heraus, wie wichtig der engagierte Einsatz für das gute Gedeihen von Kindern sei und dass Kinderschutzfachkräfte schwierige Entscheidungen im Wohle des Kindes träfen. Bereits am Freitagvormittag hatte Dr. Clemens Veltrup als Geschäftsbereichsleiter der Suchthilfe im Landesverein dem Kurs einen Besuch abgestattet und in seinen anerkennenden Worten darauf hingewiesen, dass die Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche mittlerweile auch in der neuen Satzung des Landesvereins verankert sei. „Daraus ergibt sich für uns auch die Verpflichtung, entsprechende Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche weiter auszubauen, vor allem auch für Kinder aus suchtbelasteten Familien oder für diejenigen, der Eltern psychisch belastet sind“, so Dr. Veltrup.

Umfassender Themenkanon

Dass es bei Fällen von Kindeswohlgefährdung zahlreiche Faktoren zu beachten gilt, zeigt schon die Liste der Themen, die behandelt wurden: Sie reichten von Informationen zu den Aufgaben und dem Selbstverständnis von InsoFas (Judith Maiwald) über medizinische Inhalte wie der Zwangsunterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Anna Vetter, Kinder- und Jugendpsychiaterin), Resilienz (Dr. Clemens Veltrup, Psychologischer Psychotherapeut) und dem Zusammenhang von psychischer Erkrankung und Erziehungsfähigkeit (Dr. Nikolas Kahlke, Psychiater) bis hin zu rechtlichen (Nina von Lemm, Fachanwältin für Sozial- und Medizinrecht) und datenschutzrechtlichen Aspekten (Marian Mrozek, Datenschutzbeauftragter). Fachreferate aus dem Bereich Sucht wie etwa über Substitution (Gerd Johst, Diplom-Pädagoge, und Nadine Olschewski, Diplom-Sozialpädagogin) oder die Erziehungsfähigkeit von Eltern mit einer Suchterkrankung (Jessica Prieß und Toni Biecker) sowie über Gesprächsführung, die Rolle des Jugendamts und der Polizei rundeten die Themen ab.

„Großen Raum haben wir den einzelnen exemplarischen Fallberatungen gewidmet“, erklärt Jessica Prieß. An insgesamt fünf Fortbildungstagen wurden so Fälle erörtert und unter verschiedenen Schwerpunkten wie Mitwirkung der Eltern oder Meldung an das Jugendamt besprochen und die Gesprächsführung geübt.

Erste Umsetzungen im Krankenhaus

Sina Harm arbeitet wie ihre Kollegin Sarah Dittmann als Diplom-Sozialpädagogin in der suchtpsychiatrischen Abteilung des Psychiatrischen Krankenhauses Rickling. Beide haben die InsoFa-Fortbildung absolviert und schon erste Erfahrungen mit dem Erlernten gemacht. „Ich habe festgestellt, dass ich sensibler für das Thema geworden bin – ich schaue seitdem immer einmal mehr hin“, sagt Sina Harm. „Kindeswohlthemen im Gespräch offen anzusprechen, wirkt auf die Patientinnen und Patienten oft entlastend, denn sie erleben, dass es sehr wohl geeignete Unterstützung gibt.“ Sie habe in der Fortbildung gutes Handwerkszeug bekommen, um strukturiert vorgehen zu können. Es erleichtere ihr die Risikoeinschätzung, sie könne Bedarfe besser erfassen, über Rechte aufklären und habe Kontaktadressen zur Hand. Gleichzeitig erlebe sie, dass die therapeutische Beziehung zu den Patient*innen mit der Ansprache des heiklen Themas nicht leide.

Nach dem Kurs ist vor dem Kurs 

„Kinderschutzfälle werden an ATS-Standorten mit großen Arbeitsbereichen in der Kinder- und Jugendhilfe besonders sichtbar, denn hier sind die Kolleginnen und Kollegen dicht dran und hören schnell, was zuhause schief läuft“, beschreibt Judith Maiwald ihre Beobachtungen als Regionalleiterin und Jessica Prieß ergänzt, dass die Zahl der Kindeswohlgefährdungen im Corona-Lockdown enorm gestiegen sei, weil Familien vollständig auf sich geworfen waren und abpuffernde Elemente gefehlt hätten. „Ziel der nächsten Jahre muss es unserer Meinung nach sein, noch mehr Kinderschutzfachkräfte im Landesverein auszubilden, um den Beratungsbedarf in den eigenen Reihen zu erfüllen.“ Mit den InsoFas dieses Kurses werde man in einem Netzwerk verbunden bleiben, um einen aktuellen Stand zu halten und etwa Gesetzesänderungen schnell untereinander zu kommunizieren. Aus dem Kreis der Teilnehmer*innen dieses Kurses haben bereits jetzt schon Kolleginnen ihr Interesse bekundet, neue InsoFas mit auszubilden. Das Programm werde für den zweiten Durchgang überarbeitet werden und noch handlungsorientierter werden, erklärte Jessica Prieß.

Kolleg*innen, die sich auch zur InsoFa fortbilden lassen möchten, können sich mit Jessica Prieß vom ATS Suchthilfezentrum Bad Segeberg in Verbindung setzen.