Kinder in den Fokus nehmen – ein Anliegen nicht nur am internationalen Kindertag

(01.06.2022) Die Satzung des Landesvereins sieht vor, dass auch Angebote für Jugendliche, Kinder und Familien vorgehalten werden. Warum ist das so wichtig? Dazu waren wir im Austausch mit Dr. Kahlke, dem Leitenden Chefarzt des Psychiatrischen Zentrums.

Warum ist es wichtig, dass die Psychiatrische Hilfe im Landesverein gerade auch Kinder in den Fokus nimmt? 

Die Situation einer psychischen Erkrankung in einer Familie betrifft automatisch auch alle anderen Familienangehörigen. Die Kinder besonders stark, weil Kinder sich für die Sorgen, Nöte und auch Schwierigkeiten ihrer Eltern oder die Erkrankung ihrer Eltern automatisch verantwortlich fühlen. Für unsere Menschenseelen ist es offensichtlich immer noch angenehmer, uns an etwas Schuld zu fühlen, als uns völlig hilflos chaotischen Entwicklungen gegenüber zu sehen. Üblicherweise versuchen Erwachsenenbehandler Kinder zu schonen und nicht in die Behandlung mit einzubeziehen. Selbst wenn die Behandlungen gut laufen, haben wir es jedoch bei den Kindern automatisch mit Phantasien und Ängsten zu tun, mit Unwissen. Sie gehen innerlich eher vom Schlimmsten aus, als dass sie wirklich erfassen können, wie sich die Eltern gerade weiterentwickeln. Da ist einfach ganz viel Kommunikation notwendig und hier entwickeln wir eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen. 

Wieviel Psychiatrie und Psychotherapie braucht eine Gesellschaft?

Die Kinder und Jugendlichen von heute sind unsere erwachsenen Patienten von morgen. Wir wissen, dass der Umstand, als Kind oder Jugendlicher mit psychisch erkrankten Eltern oder Verwandten oder Geschwistern konfrontiert gewesen zu sein, ein starker Risikofaktor ist, selber im weiteren Leben psychisch zu erkranken oder dass die psychische Erkrankung schwerer ausfällt. Für mich ist die Frage „Wieviel Psychiatrie und Psychotherapie braucht eine Gesellschaft?“ eindeutig daran zu messen, wie gut geht es den Kindern. Und wir leben in Deutschland in einer hochentwickelten sehr reichen Gesellschaftsform. Was ich vermisse ist, dass sich die Gesellschaft noch viel stärker um ihre eigene Zukunft kümmert, nämlich um die psychische Gesundheit der Kinder. Solange die Suizide, die schweren psychischen Erkrankungen von Kindern nicht deutlich zurückgehen oder ganz verschwinden, was die Suizide angeht, hat eine Gesellschaft noch sehr viel zu tun, was die psychiatrisch psychotherapeutische Behandlung angeht.