Psychiatrie und Psychotherapie heute: Patient und Behandler auf Augenhöhe

(21.04.2021) Die Studie der Universität Lübeck leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Entwicklung der Psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland: Spätestens 1975 setzte durch einen Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland (Psychiatrie-Enquête) eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Zustände in den Psychiatrien ein. In kleinen Schritten wandelte sich die psychiatrische Versorgung in den darauffolgenden Jahrzehnten. Konzepte wie die gemeindenahe Versorgung und Dezentralisierung oder ganze Hilfefelder wie die Eingliederungshilfe waren in den Sechziger und Siebziger Jahren noch nicht etabliert.

Nicht zuletzt durch die Psychiatriereform wurden inzwischen aber sowohl medizinische als auch institutionelle Veränderungen erreicht. Anstelle der bisherigen Verwahrung stehen nun Therapie und Rehabilitation im Vordergrund. Die Diagnosestellung und Therapiegestaltung folgt heutzutage wissenschaftlichen Verfahren und Leitlinien. Die Mitarbeitenden des Psychiatrischen Zentrums setzen für alle Patienten neben der ärztlichen Behandlung ein breites Spektrum an psychotherapeutischen Ansätzen, sozialer Beratung und kreativen Behandlungsformen und Sporttherapien ein.

Starke fachliche Differenzierung

Auch im Sinne der Vermeidung von Zwang und Leid leistet sich der Landesverein eine sehr starke fachliche Differenzierung seiner psychiatrischen Angebote: Im Psychiatrischen Zentrum sind zahlreiche Spezialisten für die verschiedenen Krankheitsbilder und Erscheinungsformen für chronisch schwer Erkrankte tätig, die andernorts durch die Maschen fallen. Für eine gute Behandlung sorgt auch: Alle Berufsgruppen werden in die Behandlungsplanung einbezogen. Zudem verfügt der Landesverein als Komplexträger über eine differenzierte Landschaft spezialisierter Pflege- und Eingliederungshilfeeinrichtungen, sowie teilstationärer und ambulanter Angebote.

Therapie besprechen, erklären und Kritik annehmen

Auch die Wahrnehmung des Patienten hat sich seit den siebziger Jahren deutlich gewandelt. Der Patient wird im Gespräch mit dem Behandler auf Augenhöhe behandelt: „Psychische Erkrankungen können die Urteilsfähigkeit und gesunde Selbstschutzmechanismen zum Teil sehr stark beeinträchtigen. Dann kann manchmal ein Schaden für den betroffenen Menschen nur durch Maßnahmen abgewendet werden, die ohne oder gegen seinen Willen durchgesetzt werden müssen. Besonders in diesen Fällen nehmen wir uns Zeit, um die Therapie nachzubesprechen, sie zu erklären und uns der Kritik zu stellen, sobald es den von uns behandelten Menschen besser geht“, berichtet Dr. Nikolas Kahlke, Leitender Chefarzt des Psychiatrischen Krankenhauses in Rickling, und ergänzt: „Es ist in diesen Fällen aber auch immer einem Richter nachzuweisen, wie die Therapie die Lebensqualität verbessert und dem Patientensinne entspricht“.

Von einer „Verwahranstalt“ kann bei modernen psychiatrischen Einrichtungen wie dem Psychiatrischen Zentrum in Rickling nicht mehr die Rede sein, denn auch die Ausstattung und Unterbringung hat sich deutlich verändert. Anstelle des „Wachsaalprinzips“ haben sich Ein- und Zweibettzimmern zum Standard entwickelt. Nikolas Kahlke hebt zudem die Geländegestaltung des Psychiatrischen Zentrums hervor. Die weitläufigen Parkanlagen haben nach seiner Einschätzung etwas „sehr Wertschätzendes“ und werden von den allermeisten Patienten als sehr positiv empfunden. Diese Rahmenbedingungen gibt es allerdings nicht zum Nulltarif: „Um moderne Leitlinien personell umsetzen zu können, reicht die Refinanzierung durch die Krankenkassen nicht aus“, unterstreicht Nikolas Kahlke.