Aufsuchende Sozialarbeit: Auf dem Weg zum Ausweg
Auf dem Weg zum Ausweg
So lautet das niedrigschwellige Programm der aufsuchenden Sozialarbeit des ATS Suchthilfezentrums Bad Segeberg. Im Namen steckt das Ziel der Straßensozialarbeit, auch Streetwork genannt: Mit Menschen Wege gehen, die ihnen helfen sollen, selbst Auswege aus ihrer jeweiligen prekären Lebenslage zu finden.
Das Projekt wird seit Mitte Oktober 2023 in Wahlstedt umsetzt und richtet sich an zwei Zielgruppen: Zum einen an obdach- oder wohnungslose Menschen mit chronischer Sucht- und psychischer Erkrankung, zum anderen an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 27 Jahren, die in der Öffentlichkeit u. a. durch Suchtmittelkonsum, Gewalt oder Vandalismus auffallen.
Durch regelmäßige Präsenz versucht das Team der Straßensozialarbeit, langfristig Vertrauen zu den Personengruppen aufzubauen. Dabei ist die Kontaktaufnahme oft schwierig: „Viele haben schlechte Erfahrungen mit ihren Mitmenschen und mit Behörden gemacht und dadurch auch jegliches Vertrauen zu Hilfestellen verloren“, erklärt die Projektkoordinatorin. Als Gesprächsöffner kommt dem Streetwork-Team Therapiebegleithund Cooper zu Hilfe. „Cooper ist ein absoluter Menschenmagnet, auch hier auf der Straße“, so seine Besitzerin. „Sie finden leicht Zugang zu ihm. Diese Brücke können wir nutzen, um ins Gespräch zu kommen und es am Laufen zu halten.“
Zudem besitzt Cooper die Fähigkeit, erhöhte Anspannungen wahrzunehmen und diese zu regulieren, indem er den Fokus auf sich lenkt. Durch das Streicheln und Kraulen des Hundes können sich die Personen beruhigen und wieder konzentrieren.
Wir versuchen, die Menschen zu motivieren, eine Veränderung ihrer Lebenssituation anzustreben
Für die aufsuchende Sozialarbeit ist die Begegnung mit den Menschen mit Abhängigkeitserkrankung auf Augenhöhe besonders wichtig: „Wir sehen Sucht nicht als persönliches Versagen, sondern als Ergebnis individueller Lebensumstände und Erfahrungen“, so eine Mitarbeiterin des Teams. „Das Projekt soll Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft zeigen, dass diese Gesellschaft sie entgegen ihrer Erwartungen nicht allein lässt.“ Konsumreduktion oder Nüchternheit werden für eine Zusammenarbeit nicht vorausgesetzt. „‚Auf dem Weg zum Ausweg‘ erwartet zunächst nichts, sondern bietet vor allem Kontakt und Hilfe zur Minderung desolater Umstände“, so das Konzept. Dies entspricht dem Ansatz der „harm reduction“, der sich am Ziel der Schadensminimierung und nicht an der Zielsetzung der Abstinenz orientiert. „Wir versuchen, die Menschen zu motivieren, eine Veränderung ihrer Lebenssituation anzustreben“, erklärt die Straßensozialarbeiterin. „Das beginnt mit kleinschrittigen Zielen und erfordert auch von uns viel Geduld und ‚Dranbleiben‘.“
Seit Februar 2024 besteht das Team der aufsuchenden Sozialarbeit aus vier Personen, die jeweils zu zweit Menschen auf öffentlichen Plätzen Wahlstedts aufsuchen. Hinzu kommt eine Kollegin, die sich um Bewohner*innen einer Notunterkunft in Bad Segeberg kümmert. „Wir lernen jeden Tag etwas Neues dazu und versuchen, diese Erfahrungen zu nutzen, um die Menschen bestmöglich zu erreichen und zu versorgen“, so die koordinierende Fachkraft. „Die sehr positive Resonanz auf unser Angebot zeigt den Bedarf, den Politik und Verwaltung in Wahlstedt erkannt haben und den die Betroffenen selbst signalisieren.“