Kleine Ausbildung in der Pflegehilfe: Ukrainische Geflüchtete in der Pflegeberufeschule Rickling

(19.5.2022) Seit wenigen Wochen sind sie in Deutschland, ihr Kommen war nicht freiwillig und geschah oft unter dramatischen Bedingungen – seit dem 2. Mai lernen acht Geflüchtete aus der Ukraine in einem dreimonatigen Kurs an der Pflegeberufeschule Rickling Altenpflegehilfe, der sie befähigen soll, Pflegekräfte bei deren Arbeit zu unterstützen. Dies ist ein Angebot des Landesvereins, um den Menschen in ihrer schwierigen Situation Tagesstruktur zu schenken, eine erste berufliche Perspektive aufzuzeigen und womöglich für das zukünftige Arbeiten in der Pflege zu interessieren.

Heute steht in der schulischen Ausbildung unter anderem Mundpflege auf dem Stundenplan und das heißt zu allererst, Vokabeln zu üben: Oberkiefer, Zunge und Lippen, Schneide- und Backenzähne, Zahnbürste und -creme, Nierenbecken und Handtuch – jede und jeder der Schüler*innen ist hochkonzentriert und spricht nach, was eine*r von ihnen von den bunten Karten vorliest, die Angelika Burmester, Lehrerin für Pflegeberufe, vorbereitet hat.

Mit Händen und Füßen, großer Geduld, Kreativität und viel Humor unterrichten die acht Lehrkräfte der Pflegeberufeschule die Flüchtlinge im Alter von 20 bis 57. Keine*r von ihnen bringt Deutschkenntnisse mit, Englisch ist nur basal geläufig. Alle besitzen eine Berufsausbildung, viele haben selbst langjährige Erfahrung in ihrem Beruf, einige sind Akademiker.

Gute Stimmung und viel Wissbegierde

Die Stimmung sei gut in der Gruppe und die Bereitschaft, Fachinhalte zu lernen, groß, wie Sigrid Kapitzke, Leiterin der Pflegeberufeschule, nach den ersten drei Tagen Unterricht bestätigt: „Alle Schülerinnen und Schüler sind sehr offen, freundlich und dem vielen Neuen bei uns sehr aufgeschlossen“, fasst sie zusammen.

Das Neue beginne schon beim lateinischen Alphabet, denn in der Ukraine werde Kyrillisch geschrieben, insgesamt sei die Kultur russisch geprägt, das könne man an den nicht vorhandenen Englischkenntnissen leicht ablesen. „Der Unterricht funktioniert aber trotzdem so gut, weil der Wille aller da ist, nach vorne zu blicken.“ Das Niveau sei hoch, auch wenn Vokabelhürden überwunden werden müssten, so Sigrid Kapitzke. Die Ukrainier*innen schätzen die angenehme Atmosphäre, in der sie ohne Druck Deutsch lernen könnten.

Maria Hülskamp, stellvertretende Leiterin der Pflegeberufeschule und ebenfalls in der Ausbildung der Flüchtlinge tätig, bestätigt den Eindruck ihrer Kollegin: „Auch ich erlebe sehr motivierte Schülerinnen und Schüler, einige besitzen auch Vorkenntnisse, so hat eine Teilnehmerin vor einigen Jahren ein Praktikum in einer russischen Demenz-WG in Berlin absolviert.“

Ihr selbst mache der Unterricht viel Spaß, weil er noch einmal fordere, Lerninhalte ganz basal und trotzdem fachgerecht zu vermitteln, „und weil die Teilnehmer richtig Lust haben.“ Im Deutschunterricht, der vor Beginn des eigentlichen Schulunterrichts über zwei Wochen erfolgt sei, hätte die Deutschlehrerin Christine Mees sehr gute Vorarbeit geleistet und das Vokabular schon auf Pflege ausgerichtet. „Nun ist eigentlich jede Stunde Sprachunterricht mit dem Thema Pflege“, ergänzt sie.

Die Inhalte der Ausbildung

Die Lerninhalte wurden von der Leiterin der Pflegeberufeschule und ihrem Team zusammengestellt und in einem Curriculum festgeschrieben. Der Unterricht selbst beinhaltet drei Module:

  1. Fünf Wochen Unterricht, der mit zwei Wochen Intensivkurs Deutsch begonnen hat und an den sich jetzt drei Wochen Ausbildung anschließen.
  2. Vier Wochen Praxis in einer der Pflegeeinrichtungen des Landesvereins. Jeden Freitag findet Deutschunterricht in der Pflegeberufeschule statt.
  3. Weitere vier Wochen Unterricht.

Inhalte der Ausbildung, die dazu befähigen soll, Pflegekräfte bei ihrer Arbeit zu unterstützen, sind Grundpflege, Prophylaxe und Hygiene sowie Essenanreichen und Inkontinenzversorgung. Außerdem werden die Schüler*innen in Kommunikation geschult, um Pflegebedürftige aus den verschiedenen Bereichen, also in reinen Altenpflegeeinrichtungen wie auch im Bereich der psychiatrischen Pflege, adäquat ansprechen zu können. 

Am Ende der zwölf Wochen Ausbildung erhalten die neuen Pflegehelfer*innen in einer feierlichen Zeremonie ein Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme und ein Angebot des Landesvereins, in einer seiner Pflegeeinrichtungen eine Tätigkeit aufzunehmen.

Praktika für erste Erfahrungen in der Pflege – gute Unterstützung vor Ort

„Ziel unseres Kurses ist es neben rein humanitärer Hilfe natürlich, die unkrainischen Pflegehelferinnen und Pflegehelfer mit der Pflege bekannt zu machen, damit sie nach dem Ende des Kurses eine Tätigkeit in die Pflege aufnehmen werden“, sagt Sigrid Kapitzke.

Sie berichtet, dass die meisten Kursteilnehmer*innen ganz normale Wünsche und Träume für die Zukunft geäußert hätten: Sie möchten wieder ein Haus haben, sie wünschen sich Kinder, sie möchten reisen, sie wünschen sich persönliches Glück und Normalität. Sie wünschen sich Frieden für ihre Heimat.

Ausschlaggebend für eine berufliche Entscheidung in Richtung Pflege würden auch Erfahrungen der Teilnehmer*innen in den Praktika sein, die sie bald im Paul-Gerhardt-Haus in Wahlstedt, im Altenpflegeheim Rickling und im Reha- und Pflegebereich auf dem Lindenhof absolvieren werden.

Manfred Dickmanns, der ebenfalls seit vielen Jahren als Pflegeberufelehrer an der Schule in Rickling tätig und in die Ausbildung der acht Geflüchteten eingebunden ist, sagt deshalb: „Wir wünschen uns in den Praktika vor Ort geduldige und verständnisvolle Kolleginnen und Kollegen, die unsere ukrainischen Schülerinnen und Schüler mit ihrem Fachverstand und ihrer freundlichen Nächstenliebe an die Hand nehmen.“

(epp)

Pflegeberufelehrerin Angelika Burmester und ihre Kolleg*innen unterrichten die ukrainischen Geflüchteten mit Händen und Füßen, Pantomine, Google Übersetzer und viel Humor und Kreativität in Grundkenntnissen der Pflege.