Junge Psychologen in der Fachklinik Freudenholm: Wenn Experimentierfreude und Erfahrung zusammenkommen

(11.07.2022) In der Fachklinik Freudenholm-Ruhleben mit ihren beiden Standorten in Bösdorf am Plöner See (klinischer Entzug in Ruhleben) und Schellhorn bei Preetz (Rehabilitationsabteilung) finden Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung von Alkohol und/oder Medikamenten individuelle Behandlung. Dr. Clemens Veltrup, Psychologe und Leitender Therapeut der Fachklinik, fördert es seit Jahren, dass junge Psycholog*innen einen Teil ihrer Ausbildung hier absolvieren, und erklärt: „Es ist schön, mit jungen Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten, die engagiert und neugierig sind und ganz frisches Wissen von der Uni mitbringen.“ 

Dr. Clemens Veltrup schätzt, dass immer wieder junge Kolleg*innen innovative Ideen einbringen würden und oft Selbstverständliches in Frage stellten. „Das bereichert das gesamte Arbeitsfeld“, fasst er zusammen. Hier gelte es, Potentiale und Ressourcen zu erkennen und es den jungen Kolleg*innen so zu ermöglichen, konkrete Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, etwa durch kollegiale Beratungen und Supervision. „Ein interdisziplinäres Team profitiert in seiner Arbeit von verschiedenen Generationen, die Qualität der Angebote wird damit verbessert. So können wir Beratungs-, Betreuungs- und Behandlungsangebote immer wieder neu gestalten. Auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen erleben in der Zusammenarbeit mit diesen ‚jungen Wilden‘ neue Energie für ihre Arbeit. So treffen Experimentierfreude und Erfahrung aufeinander und so wächst zusammen, was zusammengehört.“

Jan Hendrik Müller: von wertvoller Erfahrung lernen

Der Diplom-Psychologe Jan Hendrik Müller ist seit September 2021 in der Rehabilitationsabteilung der Fachklinik Freudenholm-Ruhleben angestellt. Er berichtet über das Arbeiten im Team:

„Hier in der Fachklinik arbeite ich mit sehr wertschätzenden, erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Der Austausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen, seien es die Pflege, Sozialer Dienst, Werk- oder Ergotherapie und ärztliches Personal, ist lebendig und wertvoll und hilft mir sehr, schon im praktischen Teil meiner Ausbildung gute Arbeit zu leisten. Und obwohl ich noch ganz am Anfang meiner beruflichen Laufbahn stehe, werde ich als vollwertiger Kollege angesehen. 

In der Gruppentherapie auf Station 7, einer Männerstation, arbeite ich gemeinsam mit dem Sozialpädagogen Peter Nass. Die Team-Therapie ist sinnvoll, denn vier Augen sehen und vier Ohren hören mehr als zwei. Seine Einschätzungen als erfahrener Bezugstherapeut sind für mich wertvoll und wichtig, denn häufig erleben wir es, dass die Rehabilitanden in der Gruppentherapie aus Scham weniger offen reden als in den Einzelgesprächen, die er führt.

Mit FrED zur passgenauen Therapie

Zu meinen Aufgaben gehört es auch, mit den Rehabilitandinnen und Rehabilitanden den Fragebogen zur erweiterten Eingangsdiagnostik, kurz FrED, zu besprechen und ihnen während des Ausfüllens bei Verständnisfragen zur Seite zu stehen. Die Fragebögen sind standardisierte Grundlage der ganzheitlichen Therapieplanung und fragen sowohl Verhaltensweisen als auch körperliche und psychische Symptome ab, so dass wir in der Behandlung sehr individuell auf die Menschen eingehen können. Wir werten die Fragebögen aus und führen dann Rückmeldegespräche. Die Supervision durch den Psychologischen Psychotherapeuten Jürgen Fahl, der FrED vor einigen Jahren mitentwickelt hat, ist für mich sehr wertvoll, denn ich profitiere von seiner langjährigen Erfahrung. 

Ein Projekt für die nahe Zukunft: Schach

Ich möchte in der Fachklinik eine Schachgruppe als gruppentherapeutisches Projekt einrichten, denn es gibt bereits Berichte über ähnliche Projekte und aktuelle Studien, die untersuchen, ob Schach als kognitives Training möglicherweise genau die Gehirnbereiche stärkt, die bei Abhängigkeits­erkrankungen beeinträchtigt sind. Es verbessert die Fähigkeit, Situationen einzuschätzen und Probleme zu lösen und fördert die Konzentration und Selbstkontrolle. Außerdem ist es eine sinnvolle alternative Freizeitbeschäftigung zum Suchtmittelkonsum und bietet die Möglichkeit, mit anderen Menschen in Austausch zu kommen.

Mich fasziniert bei meiner Arbeit immer wieder, wie unterschiedlich die Menschen sind, die zu uns zur Behandlung kommen. Alle bringen ihre sehr persönliche Lebensgeschichte mit, die wir gemeinsam aufarbeiten. Die Arbeit ist oft herausfordernd, denn der Leidensdruck der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden ist groß. Lange habe ich gedacht, ich würde nach dem Ende meiner Ausbildung eine eigene Praxis eröffnen, aber mittlerweile kann ich mir gut vorstellen, in der Suchthilfe und sogar in der Fachklinik Freudenholm-Ruhleben zu bleiben oder in einem anderen Bereich der Suchthilfe zu arbeiten.“ 

Djamila Hulleman: seinen eigenen Stil entwickeln

Djamila Hullemann ist ebenfalls Diplom-Psychologin im Anerkennungsjahr. Sie ist seit Juli 2021 in der Fachklinik Freudenholm-Ruhleben Schellhorn und schätzt neben der kooperativen Teamarbeit besonders die guten Möglichkeiten, sich persönlich zu entwickeln:

„Bevor ich nach Freudenholm kam, habe ich an einer psychosomatischen Klinik in der Nähe von Berlin mit Menschen mit Depression und Angststörungen gearbeitet. Nun gehören Suchterkrankungen zu meinem Arbeitsinhalt – das ist anders spannend. Ich erlebe die meisten Menschen mit einer Alkoholerkrankung als angenehm im Umgang und konstruktiv, sich mit ihrer Biografie auseinanderzusetzen. 

Der frauenspezifische Ansatz

Das Ankommen hier in Freudenholm war für mich sehr leicht, denn ich wurde gut eingearbeitet und konnte zwei Wochen bei anderen Kolleginnen und Kollegen hospitieren. Seitdem leite ich in zwei Bezugsgruppen die Gruppentherapie: in einer für Männer und in einer für Frauen. Die Klinik hat einen frauenspezifischen Ansatz, das bedeutet, dass in den Bezugsgruppen die beiden Geschlechter getrennt behandelt werden: Frauen sind in ihrer Gruppe unter sich, ebenso die Männer. Das ist gerade für Frauen oft sehr wichtig, denn sensible Themen um Geschlechterrollen, Sexualität und Gewalt können dann leichter besprochen werden. In indikativen Gruppen wie zum Beispiel der Depressionsgruppe und im Sozialem Kompetenztraining werden Frauen und Männer gemeinsam behandelt.

Gruppentherapie hat einen ganz hohen therapeutischen Wert, denn die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden lernen viel voneinander und können oft auch Ratschläge von Menschen, die Ähnliches erlebt haben wie sie selbst, besser annehmen. Trotzdem wünschen sich die meisten mehr Einzelgespräche; sie fühlen sich im Einzelkontakt wahrscheinlich besser wahrgenommen und sind auch oftmals eher bereit, schwierige oder schambesetzte Themen anzusprechen.

Die kollegiale Zusammenarbeit

Ich erlebe immer wieder, wie wichtig die Arbeit des Sozialen Diensts ist, denn hier werden viele wichtige Themen für die Rehabilitanden und Rehabilitandinnen geklärt wie etwa, wenn Wohnungslosigkeit droht oder Gerichtsverfahren laufen. Das ist oft sehr belastend für die Menschen. Die Unterstützung durch Fachleute ist dringend notwendig, um Druck wegzunehmen und damit den Weg zum Gesundwerden zu ebnen.

Die Arbeit im Team ist sehr wertschätzend hier im Haus; der Umgang mit den erfahrenen Kolleginnen und Kollegen sehr gut. Besonders freut es mich, dass wir einen so großen persönlichen Spielraum erhalten, uns und unsere Arbeit auszurichten. Wir werden wirklich gefördert, einen eigenen Stil zu entwickeln. Außerdem haben wir Psychologinnen und Psychologen in Ausbildung jede Woche Supervision mit unseren Mentoren, wo wir uns besprechen können.“