#WIRKLICHMACHEN: Was ist wertvolle Arbeit?

(31.03.2022) Am 30. März waren Friedrich Keller, Pressesprecher des Diakonischen Werks Schleswig-Holstein, und Christine Noack, Referentin für Ethik und Diakonie, in der Werkstatt für psychisch behinderte Menschen in Henstedt-Ulzburg des Landesvereins und sprachen mit drei Mitarbeiter*innen über den Wert sozialer Arbeit. Der Besuch ist Teil ihrer Rundreise durch mehrere diakonische Einrichtungen.

„Die Kampagne #WIRKLICHMACHEN des Diakonischen Werks gegen den Fachkräftemangel in sozialen Berufen läuft seit etwa anderthalb Jahren“, erklärte Friedrich Keller zu Beginn des etwa einstündigen Gesprächs. „Wir möchten in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Diakonie für besondere Werte steht und damit ein attraktiver Arbeitgeber ist.“ Menschen würden in ihrer Berufswahl immer stärker nicht nur ein angemessenes Gehalt fordern, sondern explizit sinnstiftend arbeiten wollen. „Tätigkeiten wie zu helfen, zuzuhören, Freude zu bereiten, Unterstützung und Mut zu schenken werden bei Befragungen immer wieder als hohe Werte benannt, die Arbeit einen tiefen Sinn geben“, erklärte er weiter. Christine Noack fragte deshalb Sonja Decker vom Sozialen Dienst, Michael Hahn und Michael Buthmann, beide Gruppenleiter: „Was ist das Zentrale Ihrer Arbeit hier in der Werkstatt Henstedt-Ulzburg?“

Immer noch Inhalt unserer Arbeit: Für Menschen mit Menschen!

Die drei langjährigen Mitarbeitenden hatten am Vortag als Vorbereitung auf den Besuch ein Plakat mit ihren eigenen und höchstpersönlichen maßgeblichen Beweggründen für Arbeiten bei einem diakonischen Arbeitgeber gestaltet. Zentral in einem großen roten Herz findet sich dort der Leitspruch des Landesvereins „Für Menschen mit Menschen“ wieder – er schwingt im Arbeitsalltag immer mit, wie sich die Kolleg*innen äußerten. Michael Buthmann, Gruppenleiter der kleinen Garten- und Landschaftsbaugruppe mit sechs Beschäftigten, sagte, dass für ihn das Fördern und Begleiten der Beschäftigten maßgeblich seien. Dem pflichtete Michael Hahn, Gruppenleiter der Industriegruppe 2, bei und betonte zugleich, dass für ihn das Arbeiten auf Augenhöhe wichtig sei. Sonja Decker erklärte den beiden Gästen, dass sich ihr Arbeiten und das der Kolleg*innen in einer Werkstatt für Menschen mit psychischen Einschränkungen deutlich von dem mit geistig Behinderten unterscheide: „Wir arbeiten mit Menschen, die alle einen Biografie-Einbruch erlebt haben, entweder durch Erkrankung oder durch einen Unfall“, sagt sie, „die meisten waren als Erwachsene lange Jahre eigenständig und standen voll im Erwerbsleben. Viele brauchen intellektuell anspruchsvolle Arbeiten und gleichzeitig guten Schutz vor Überforderung.“ Besondere Herausforderungen für die Gruppenleitungen.

Für sie selbst stünden Inklusion, gegenseitiges Vertrauen und selbstständiges Arbeiten im Vordergrund. „Ganz wichtig ist für mich außerdem der Dialog“, ergänzt sie, „denn nur im steten konstruktiven Austausch kann man ein gutes Miteinander schaffen. Für uns ist das erprobter Alltag: Die Menschen fordern wirkliche Mitsprache und wollen ernst genommen werden.“

Michael Hahn ist bei seiner Arbeit zusätzlich wichtig, viele verschiedene Arbeiten anzubieten. „So können wir den unterschiedlichsten Menschen vielfältige Arbeitsangebote machen, aus denen sie sich das für sie passende aussuchen können“, erläuterte er. Er habe noch viele Ideen für neue Projekte.

Michael Buthmann sprach abschließend noch Dankbarkeit und christliche Werte an. „Wir erleben immer wieder, wie dankbar die Beschäftigten über ihre Arbeitsplätze in der Werkstatt sind und wie gut das Miteinander ist.“ Vor Corona sei regelmäßig Andacht gefeiert worden; Zusammenkünfte der gesamten Werkstatt, etwa zur Weihnachtsandacht oder zum Osterbrunch, würden schmerzlich vermisst. „Wir hoffen, dass nach zwei Jahren Corona möglichst bald eine Rückkehr zu mehr Geselligkeit möglich ist“, sagte der Gruppenleiter.

Blickrichtung erster Arbeitsmarkt 

Ziel der Werkstatt ist es, den Beschäftigte Teilhabe an der Gesellschaft durch gute Arbeitsangebote zu ermöglichen. „Wir bereiten hier zielgerichtet auf das Arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt vor“, erklärt Sonja Decker, die neben der Arbeit im Sozialen Dienst auch Integrationsassistentin der Werkstatt ist. Um eines Tages auf einen sozialversicherungspflichtigen Job oder auf einen Außenarbeitsplatz zu wechseln, würden die Beschäftigten höchst individuell gefördert und absolvierten immer wieder längere Praktika bei kooperierenden Betrieben. „Kurze Arbeitswege sind dabei für die Beschäftigten wichtig, um langfristig motiviert zu bleiben. Deshalb versuchen wir immer, wohnortnahe Betriebe zu finden.“ Vor der Corona-Pandemie war die Werkstatt Henstedt-Ulzburg diejenige der Landesvereins-Werkstätten mit dem höchsten Anteil an Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. „Wir lagen bei fast 25 Prozent“, so die Sozialpädagogin, „und hoffen, dass wir dieses Niveau bald wieder erreichen können.“ Dafür braucht es motivierte Beschäftigte und motivierende Mitarbeiter*innen, die ihren sozialen Beruf lieben und wissen, wie viel sie im Kontakt mit anderen Menschen zurückbekommen.

Schweppe

Michael Hahn (li.) und Michael Buthmann, beide Gruppenleiter in der Werkstatt für Menschen mit psychischen Behinderungen in Henstedt-Ulzburg, mit ihrem Plakat: Gemeinsam mit Sonja Decker vom Sozialen Dienst haben sie sich Gedanken gemacht, welche Werte ihnen für ihre Arbeit wichtig sind.